Frühwarnsystem MIGROMAT®
Die Bestände des Europäischen Aals (Anguilla anguilla) befinden sich auf einem historischen Tiefststand. Ein nicht unerheblicher Gefährdungsfaktor für die potentiellen Elternfische stellt die Überwindung von Wasserkraftwerken auf dem Weg zu den Reproduktionsplätzen im Meer dar. Da sich die Abwanderung von Aalen als Massenphänomen auf vergleichsweise wenige Tage resp. Nächte konzentriert, bietet dies eine Chance für die aalschützende Betriebsführung (ASB) von Wasserkraftwerken, ohne dass bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssten.
Ein ASB kann beispielsweise in der temporären Reduktion der Anströmgeschwindigkeit vor dem Einlaufrechen, der episodischen Öffnung von Wehren oder einer Abschaltung der Turbinen bestehen. Voraussetzung für solche Maßnahmen ist allerdings, die rechtzeitige und verlässliche Kenntnis, wann ein Abwanderereignis stattfinden wird. Der vom Institut für angewandte Ökologie GmbH erfundene und entwickelte MIGROMAT® (migrare, lat. wandern) ist weltweit das einzige Frühwarnsystem, das solche zuverlässigen Prognosen generieren kann.
Es handelt sich dabei um ein Biomonitoringverfahren, bei dem das Verhalten einiger in Gefangenschaft gehaltener Indikatoraale kontinuierlich überwacht wird, um Hinweise über eine Abwanderbereitschaft zu erhalten, von der zeitgleich auch die Fluss lebenden Artgenossen erfasst werden.
Schema des Aufbaus eines MIGROMAT®
MIGROMAT® an einer Staustufe
Ein MIGROMAT® besteht aus zwei jeweils 4 m langen Becken, die von Flusswasser durchströmt werden und in denen 60 Indikatoraale etwa 7 Monate lang gehältert werden. Jeder Aal ist mit einem 12x2 mm kleinen RFID-Transponder individuell markiert. Im Innern der Becken befinden sich Trennwände mit einer Öffnung, die von einer RFID-Antenne überwachten wird, um die Bewegungsmuster der Aale aufzuzeichnen. Analysiert der PC charakteristische Verhaltensänderungen und werden bestimmte Schwellenwerte überschritten, alarmiert das Frühwarnsystem die Kraftwerkszentrale. Auf diese Weise kann rechtzeitig vor dem Eintreffen abwandernder Flussaale am Kraftwerksstandort ein ASB eingeleitet werden. Am Ende einer Betriebssaison werden die Aale wieder in die Freiheit entlassen.
Zahlreiche und unabhängig durchgeführte Monitoringuntersuchungen bescheinigen dem MIGROMAT®, dass mindestens 75, jedoch zumeist bis über 90 % der abwandernden Aale an einem Wasserkraftstandort geschützt werden können. Aktuell werden insgesamt 10 dieser Frühwarnsysteme an den Flüssen Regnitz, Main, Fulda, Werra und Weser.
Publikationen
ADAM, B. & U. SCHWEVERS (2019): Effizienz des aalschützenden Betriebs der Kraftwerke Offenbach und Kesselstadt. - Wasserwirtschaft 109 (in Vorbereitung).
ADAM, B. (2018): Mit dem Frühwarnsystem MIGROMAT® abwandernde Aale schützen. - ZEK 6/2018, 68- 70.
THALMANN, M. (2014): Aalschonendes Betriebsmanagement. - Düsseldorf (Statkraft Markets GmbH), 33 S.